VDM-Position: 7 politische Forderungen zu Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und Versorgungssicherheit
27.05.2022
Natürliches Mineralwasser ist mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von rd. 122,7 Litern (2021) der beliebteste Durstlöscher der Menschen in Deutschland. Mit gut einem Viertel der Flüssigkeitsaufnahme pro Tag trägt das Naturprodukt Mineralwasser wesentlich zur Deckung des täglichen Flüssigkeitsbedarfs der Menschen von etwa 1,5 Litern bei. Damit hat das als Lebensmittel amtlich anerkannte natürliche Mineralwasser eine besondere Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung. Brunnenbetriebe in Deutschland füllen jährlich insgesamt über 12 Milliarden Liter Mineral- und Heilwasser sowie Mineralbrunnen-Erfrischungsgetränke ab. Die deutschen Mineralbrunnen sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Ernährungsindustrie, oftmals im ländlichen Raum, wo sie beschäftigungswirksam für fast 40.000 Arbeitsplätze sind.
Für die Versorgung der Menschen in Deutschland mit der wertvollen Ressource Wasser ist die vorhandene dezentral-flächendeckende Mineralbrunnenstruktur unverzichtbar, besonders in Krisen- und Notlagen als wesentliches Element der Katastrophenhilfe und des Zivilschutzes. Das Naturprodukt Mineralwasser mit seinen besonderen Eigenschaften und die Tiefenbrunnen zu seiner Gewinnung müssen zur Sicherstellung einer redundant-resilienten Versorgung der Bevölkerung mit Wasser gefördert und erhalten werden.
Der VDM und die deutschen Mineralbrunnen fordern:
- Zur Erhaltung der Versorgungssicherheit muss die Energiesicherheit für eine kontinuierliche Mineralwassergewinnung gewährleistet und bezahlbar sein.
- Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien muss das Schutzgut Wasser prioritär berücksichtigen.
- Das Schutzgut Wasser ist für den Verzehr aller Generationen staatlich vorrangig zu schützen.
- Eine gesunde und sicher Versorgung mit Wasser zum Verzehr muss dirch leitungsgebundene und verpackungsgebundene Systeme doppelt redundaten und vorrangig ortsnah sein.
- Effektiver Klima- und Umweltschutz benötigt einen sicheren Investitionsrahmen.
- Um innerhalb der Kreislaufwirtschaft einen geschlossenen Rohmaterialkreislauf zu erreichen, muss der prioritäre Zugriff auf das Rezyklat für die Inverkehrbringer ermöglicht und Investitionen in nachhaltige Verpackungssysteme geschützt werden.
- Die Wahlfreiheit der Bevölkerung ist ein hohes Gut, das zu bewahren ist.
1. Zur Erhaltung der Versorgungssicherheit muss die Energiesicherheit für eine kontinuierliche Mineralwassergewinnung gewährleistet und bezahlbar sein
Mehr denn je gehört die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa zu den größten Herausforderungen. Szenarien von Energielieferstopps sowie deutlich gestiegene Energie- und Rohstoffpreise bedrohen und belasten nicht nur Haushalte, sondern insbesondere auch die Wirtschaft. Auch die Lebensmittel- und Getränkewirtschaft muss Lieferengpässe befürchten und ist einem erheblichen Kostendruck ausgesetzt. Deutschland muss schnellstmöglich die Gasbeschaffung diversifizieren. Die unkonventionelle Erschließung von Erdgasvorkommen durch Fracking im dicht besiedelten Deutschland mit seinen ohnehin schon belasteten Grundwasservorkommen ist unter keinen Umständen eine Option. Ferner ist bei der Abwägung von Maßnahmen im Falle eines Erdgaslieferstopps die hydrogeologisch gebotene kontinuierliche Gewinnung von natürlichem Mineralwasser durch deutsche Mineralbrunnen gemäß ihrer hohen Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung dadurch aufrechtzuerhalten, dass diese schützenswerte Besonderheit als solche anerkannt wird. Mineralbrunnen in Deutschland haben lediglich einen sehr geringen Anteil von ≤ 0,5 % am nationalen Erdgasverbrauch. Selbst kurzfristige Abschaltungen bzw. angeordnete Produktionsstopps der Mineralbrunnen in Deutschland hätten nicht nur möglicherweise irreversible negative Folgen für die Qualität der wertvollen Mineralwasser-Vorkommen, sondern würden die redundant-resiliente Versorgung der Bevölkerung mit Wasser in Not- und Krisensituationen massiv gefährden.
2. Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien muss das Schutzgut Wasser prioritär berücksichtigen
Die deutschen Mineralbrunnen befürworten die Beschleunigung des dringend benötigten Ausbaus der erneuerbaren Energien und die dazu erforderlichen Zielpfade, um die Stromversorgung bis zum Jahr 2035 nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Nutzung erneuerbarer Energien als Produkte diverser Wandlungsprozesse ist im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit. Erst recht muss das für die einzigartige Ressource Grundwasser für den menschlichen Gebrauch und konkret für Wasser zum Verzehr gelten, weshalb immer und zwingend die unabweisbaren Belange des Schutzgutes Wasser vorrangig zu berücksichtigen sein werden. Tiefengrundwasser gehört deshalb unter Bundeskontrolle. Der Schutz natürlicher Mineralwasservorkommen im Tiefengrundwasser ist entsprechend im Raumordnungs- und Planungsrecht zu verankern und durch Ausweisung hydrogeologisch sensibler Einzugsbereiche von Fassungen gegen Verschlechterungen abzusichern.
3. Das Schutzgut Wasser ist für den Verzehr aller Generationen staatlich vorrangig zu schützen
Die Auswirkungen des Klimawandels sind deutlich spürbar: Extremwettereignisse, abnehmende Niederschlagsmengen und regional sinkende Grundwasserspiegel. Dringlichste Fragestellung ist, wie zukünftig die Versorgung der Bevölkerung mit der wertvollen Ressource Wasser auch bei Knappheit rund um die Uhr gewährleistet werden kann. Für eine verantwortungsvolle Wassernutzung braucht es verlässliche Daten. Vor dem Hintergrund setzen sich der VDM und die deutschen Mineralbrunnen für einen Kapazitäts- und hydrogeologischen Kompetenzaufbau in staatlichen Wasserbehörden ein. Es fehlt ein nationales Lagebild für Tiefengrundwasser als hydrogeologisch begründeter strategischer Handlungsrahmen und als belastbare Basis für bundesweit allgemeinverbindliche Regeln zur Entscheidung über Wassernutzungen. Die lebenswichtige Versorgung der Menschen mit Wasser zum Verzehr muss in allen nationalen Strategien für Resilienz, Sicherheit und Wasser oberste Priorität haben.
4. Eine gesunde und sichere Versorgung mit Wasser zum Verzehr muss durch leitungsgebundene und verpackungsgebundene Systeme doppelt redundant und vorrangig ortsnah sein
Eine Resilienz der Wasserversorgung ist nur gegeben bei einer doppelten Redundanz zwischen der leitungsgebundenen Versorgung und Notversorgung mit Notbrunnen einerseits und andererseits einer Versorgung mit natürlichem Mineralwasser aus Tiefenbrunnen. Dafür braucht es bundesweit verbindliche Regeln für die Entscheidung über Wassernutzungen. Natürliche Mineralwasser-Vorkommen sind vor allen anderen Nutzungen besonders zu schützen als „eiserne Reserve“. Bei Wasserknappheit sollten dies lokale oder regionale Vorrang-Entscheidungen im Vollzug des Wasserrechts berücksichtigen. Bei Wasserknappheit sollen trinkbare Ressourcen im Grundwasser generell Vorrang vor anderen Nutzungen von Grundwasser haben und dürfen insbesondere nicht durch eine Rohwassergewinnung zur Befriedigung von Brauchwasserbedürfnissen gefährdet werden.
5. Effektiver Klima- und Umweltschutz benötigt sicheren Investitionsrahmen
Bis spätestens 2030 wollen die deutschen Mineralbrunnen ihre Wirtschaftsprozesse branchenweit klimaneutral transformieren und damit ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele in Europa und Deutschland leisten. Dazu investiert die gesamte Branche seit Jahren erheblich in vielfältige Maßnahmen deutschlandweit an verschiedenen Standorten, aber auch in anerkannte Klimaschutzprojekte in der ganzen Welt. So ist natürliches Mineralwasser bereits heute das Produkt mit einem der kleinsten CO2-Fußabdrücke in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Das oberste Ziel nachhaltigen Wirtschaftens lautet für die deutschen Mineralbrunnen: Emissionen umfassend vermeiden und reduzieren. Ist eine gänzliche Vermeidung nicht möglich, können die verbleibenden Emissionen über den freiwilligen Handel mit Emissionsrechten und -zertifikaten sowie durch Unterstützung anerkannter Klimaschutzprojekte kompensiert werden. Mit dem aktuellen Fokus auf Energie- und Versorgungssicherheit in Deutschland dürfen jedoch ein ambitionierter Klimaschutz und das nachhaltige Wirtschaften nicht in den Hintergrund geraten. Die deutschen Mineralbrunnen wollen auch weiterhin den effektiven Klima- und Umweltschutz vorantreiben. Dafür braucht es verbindliche Rahmenbedingungen und eine aktive Unterstützung der Politik, damit Energiesicherheit nicht zulasten einer nachhaltigen Wirtschaft geht.
6. Um die Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln, muss der prioritäre Zugriff für die Inverkehrbringer von Verpackungen auf das im deutschen Markt verfügbare Rezyklat ermöglicht und Investitionen in nachhaltige Verpackungssysteme geschützt werden
In Deutschland werden weltweit vorbildliche Rücknahme- und Kreislaufsysteme für Getränkeverpackungen betrieben. Mehrwegflaschen werden bis zu 50-mal wiederverwendet und Einwegflaschen werden zu fast einhundert Prozent zurückgeführt und anschließend zu nahezu 100 % recycelt. Einer Vermüllung von Siedlungsgebieten, Landschaften und Gewässern ist dadurch in Deutschland wirksam vorgebeugt. Deutschland hat keinen Anteil an der Meeresvermüllung. Um ein geschlossenen Rohmaterialkreislauf zu ermöglichen und den Recyclinganteil in Getränkeverpackungen weiter zu steigern, muss der prioritäre Zugriff für die Inverkehrbringer von Verpackungen auf das im deutschen Markt verfügbare Rezyklat ermöglicht werden. Dazu muss vor allem gewährleistet sein, dass der Abfluss von hochwertigem Rezyklat in andere industrielle Anwendungen außerhalb des Lebensmittelbereichs ausgeschlossen wird. Die Rahmenbedingungen des deutschen Pfandsystems sind daher so weiterzuentwickeln, dass eine Kreislaufführung von Getränkeverpackungen und -material gesichert wird (bottle-to-bottle / closed-loop). Diskriminierungen von Verpackungsarten oder Gebinden sind weder zielführend noch zweckmäßig. Im Allgemeininteresse an einer nachhaltigen, die Natur und Ressourcen schonenden Materialverwendung haben sie alle ihre Daseinsberechtigung für unterschiedliche Anwendungsbereiche und Zielgruppen.
7. Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ist ein hohes Gut, das gewahrt werden muss.
Natürliches Mineralwasser ist ein sicheres, hochwertiges Lebensmittel mit einer amtlichen Anerkennung, dessen Inhaltsstoffe nachweislich eine hohe Bioverfügbarkeit aufweisen. Mineralbrunnenbetriebe erfüllen als Teil der Ernährungswirtschaft zusammen mit dem Lebensmittelhandel auch einen Versorgungsauftrag und stehen abseits von Katastrophen- und Zivilschutzlagen im Wassermarkt in einem funktionierenden Wettbewerb untereinander, auch mit Wasserversorgern. Staatliche Neutralität gegenüber getrennt regulierten, unterschiedlichen Wasserarten und gegenüber unterschiedlichen Systemen des Inverkehrbringens ist und bleibt die maßgebliche Grundlage für die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz staatlicher Entscheidungen. Der VDM lehnt deshalb jede staatliche Bevormundung und symbolpolitische Manipulation gleich in welcher Form und unabhängig davon, ob die marktwirtschaftliche und gebotene Neutralität direkt von staatlichen Stellen oder indirekt von staatlich unterstützten Organisationen, einschließlich NGOs, verletzt wird, als irreführend ab.