Europäische Farm-to-Fork-Strategie: EU-Kommission initiiert Verhaltenskodex für Akteure der Lebensmittelkette
Europäische Nahrungsmittel als globaler Gold-Standard in puncto Nachhaltigkeit – das Ziel der im Mai 2020 veröffentlichten „Farm-to-Fork“-Strategie der EU-Kommission ist so deutlich wie ambitioniert. Folglich hat die EU-Kommission schon im letzten Jahr einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt, der von Lebensmittelkennzeichnung über Vermarktungsmethoden bis hin zu einer deutlichen Reduzierung des Gebrauchs chemischer Düngemittel und Pestizide reicht. Doch um den angestrebten Gold-Standard entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu etablieren, will die EU-Kommission alle Akteure der europäischen Lebensmittelproduktion in die Pflicht nehmen.
Aus diesem Grund hat die Kommission die Ausarbeitung eines „Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Unternehmens- und Marketingpraktiken“ (Code of Conduct for Responsible Business and Marketing Practices) für die relevanten Branchen und Akteure in Angriff genommen. Anders als die 2019 verabschiedete sogenannte „Unfair Trading Practices Directive“, die für ein größeres Gleichgewicht zwischen Geschäftspartnern innerhalb der Lebensmittelbranche sorgen soll, soll dieser Code of Conduct auf freiwilliger Basis erfolgen. Die Intention dabei ist, ein Nahrungsmittelsystem aufzubauen, das alle wichtigen ökologischen, sozialen sowie wirtschaftlichen Aspekte vereint und somit das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050, wie im europäischen Green Deal formuliert, unterstützt.
Der Code of Conduct wendet sich vor allem an die Unternehmen, die zwischen „Hof und Teller“ tätig sind, sprich den Produzenten agrarischer und sonstiger Grundprodukte des Nahrungsmittelsektors, den lebensmittelverarbeitenden Unternehmen, dem Handel und der Gastronomie. Transport, Verpackung, Marketing oder auch Produktionsmethoden: Auch in diesen Bereichen tätige Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette haben einen immensen Einfluss auf den Lebensmittelmarkt sowie das Konsumverhalten der europäischen Bevölkerung. Die EU-Kommission hat daher alle relevanten Akteure aufgerufen, sich an der Erarbeitung und Realisierung des geplanten Kodex zu beteiligen. Eine Beteiligung ist aber wie beschrieben freiwillig.
Ein Grundgerüst für die generelle Zielsetzung des Kodex wurde in Brüssel schon entwickelt. Konkret nennt die EU-Kommission drei Ziele:
- Die Förderung eines gesünderen und nachhaltigeren Konsumverhaltens durch eine Verbesserung des Lebensmittelumfelds. Dies bedeutet unter anderem, Verbrauchern die Entscheidung für eine gesunde Ernährung so einfach wie möglich zu machen.
- Allen europäischen Lebensmittelproduzenten unabhängig von der Branche die Umsetzung nachhaltiger Praktiken zu erleichtern.
- Anreize zur Verbesserung interner Prozesse und Organisation bei der Lebensmittelverarbeitung, im Einzelhandel und der Gastronomie. Damit soll das Prinzip der Kreislaufwirtschaft beworben und gleichzeitig Lebensmittelverschwendung und Verluste im Wertschöpfungsprozess vermindert werden.
Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es seitens der beteiligten Unternehmen konkreter Selbstverpflichtungen, die nicht nur praktikabel, sondern auch messbar sein müssen. Ob die Akteure ihren Zusagen auch nachkommen, möchte die EU-Kommission mit Hilfe eines Kontrollmechanismus überwachen. Wie dieser genau aussehen soll, ist bisher noch nicht bekannt.
Zunächst geht es der EU-Kommission darum, in Zusammenarbeit mit den Akteuren der Lebensmittelkette Strukturen und Inhalte des Code of Conduct zu erarbeiten. Dazu fiel der offizielle Startschuss am 26. Januar 2021 bei einer hochrangigen Auftaktveranstaltung der EU-Kommission. Sowohl Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans und EU-Gesundheits-Kommissarin Stella Kyriakides als auch die zuständigen Berichterstatter im Europaparlament, die Europaabgeordneten Sarah Wiener (Die Grünen/Österreich) und Herbert Dorfmann (EVP/Italien) nahmen an dem Auftaktevent teil.
Im Laufe des ersten Halbjahres 2021 sollen nun regelmäßig themenspezifische Arbeitsgruppen, bestehend aus verschiedenen Interessensgruppen, zusammenkommen, um konkrete Aktionsfelder auf allen drei Ebenen der Nachhaltigkeit (Umwelt, Soziales, Wirtschaft) zu formulieren. Es wird angestrebt, den Kodex bis Ende Mai 2021, verbunden mit einer Erklärung allgemeiner Zielsetzungen („aspirations“), zur Unterzeichnung durch interessierte Verbände, Unternehmen und sonstige Stakeholder vorzulegen. Damit bleibt in Anbetracht der Vielfältigkeit und Anzahl der relevanten Akteure nicht viel Zeit – ein Umstand, der von beteiligten Wirtschaftsverbänden bereits deutlich kritisiert wurde. Bis Ende des Jahres 2021 sollen die Unterzeichner sowie weitere interessierte Akteure dann konkrete Selbstverpflichtungen eingehen, die über den gesetzlichen Rahmen und bereits bestehende freiwillige Übereinkommen hinausgehen.